Hauptmerkmale romantischer Dichtung

Was waren die Hauptthemen in der Dichtung?
Wie gestaltete sich die Romantik sprachlich?
Welche Gattungsformen gab es in der Literatur?

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Morgen im Riesengebirge

Caspar David Friedrich

1. Vorwort

Jede literarische Strömung hat ihre bestimmten Merkmale, die sich sowohl im geistigen Gehalt, in der Wahl der behandelten Stoffe und der Art, diese zu gestalten, manifestieren, als auch in der ihr eigentümlichen Bevorzugung einer bestimmten Dichtungsgattung, eines ihr zukommenden sprachlichen Ausdruckes und einer dem inneren Gehalt entsprechenden formalen Gestaltung. Die folgenden Aspekte sollen näher erwähnt werden.

2. Flucht aus der Wirklichkeit

Ein Hauptstreben der Romantik war es, die raue Wirklichkeit und den oft sehr schwierigen Alltag (Zeit der Koalitionskriege und der Unterdrückung Europas durch Napoleon) durch Poesie zu verklären und damit die Zustände zu überwinden. Ideale werden gesucht und man strebt ihnen nach, aber immer bleibt dabei das Bewusstsein, dass dieses Ideal nicht zu verwirklichen ist.

3. Stoffgebiet

Das Wunderbare

Die Romantiker suchten ihre Stoffe nicht in der nüchternen Wirklichkeit. Sie bevorzugten alles Wunderbare. Die Romantiker spürten den Geheimnissen der Seele nach. Und das bevor die Wissenschaft versuchte diese zu ergründen. Durch die Nachtseiten der menschlichen Seele wollte man in Neuland vordringen und die Literatur bereichern.

Man versuchte, die dunklen Welten des Unbewusstsein zu erfassen. Träume, Schlafwandel, Hellsehen, Doppelgängerei, praktisch das ganze Gebiet, das später in die Tiefenpsychologie den Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen bildete, wurde dichterisch erfasst. Man wandte sein Augenmerk den seelischen Krankheiten und den Dingen, die über unser Wissen hinausgehen wie Spiritismus und Magnetismus, zu.

Die Romantik sah nicht den praktisch, handelnden, wirklichkeitsnahen Menschen als ihr Ideal an, sondern den sehnsuchtsvollen, herumirrenden Träumer, dessen Leben berufslos und haltlos dahinfließt und der im Genießen, nicht im Handeln den höchsten Zweck des Lebens sieht.

Den Romantikern wird die Wirklichkeit zu einer erträumten Märchenwelt. Das Märchen wird zum Ideal ihrer Dichtung und schließlich zur romantischen Dichtungsgattung an sich.

Entfesseltes Ich

Die Romantiker versuchten das Ich von allen Schranken des Herkommens und der Sitte zu befreien. Sie beriefen sich dabei auf den Philosophen Johann Gottlieb Fichte, der das Recht der Persönlichkeit lehrte. Die romantischen Helden sind somit oft recht eigenartige Menschen, welche für das praktische Leben unbrauchbare, aber mit reichen individuellen und psychologische interessanten Zügen ausgestattet worden sind.

Naturverbundenheit

Die Beobachtung der Natur, also der Wirklichkeit, stand nicht im Vordergrund der Romantik. Sie beschränkte sich nämlich auf die gefühlsmäßige Erfassung der Natur. Die Natur wurde zum Sinnbild geheimnisvoller Empfindungen. Das heißt die Gegenstände an sich waren unbedeutend, wichtig war der Geist der Poesie in ihnen.

Mittelalter

Man versuchte nicht nur im räumlichen Sinne über die erfassbare Wirklichkeit hinauszugehen, sondern man versuchte auch zeitlich in geheimnisvolle, ideale verklärte Fernen zu fliehen. Das Mittelalter war bis zu diesem Zeitpunkt eine dunkle Zeit im Herzen der Menschheit. Doch nun strahlte die Epoche der machtvollen Salier und Hohenstaufen in einem neuen Glanz. Rittertum und Papsttum wurden von poetischem Zauber umworben. Die Verbindung von edlem Heldentum und innigster Frömmigkeit, wie zum Beispiel bei den Gralsrittern, wurde zum höchsten Ideal erklärt.

Man könnte sagen, die Romantiker besaßen eine Tendenz zur Unendlichkeit in Form von der Hinwendung zur Vergangenheit.

In der Mittelalterphantasie zeigt sich auch die Verbundenheit zwischen Mensch und Natur. Früher war der Mensch eins mit der Natur. Dieser Zustand sollte wieder erreicht werden. Die Romantiker suchten also etwas in der Vergangenheit, was die Gegenwart nicht bieten konnte. Also eine Verklärung der Realitäten.

Weltliche und geistige Poesie des Mittelalters wurde zum neuen Leben erweckt. Fromme Legenden, die Madonnenpoesie und das Leben von Klosterbrüdern und Einsiedlern fanden wieder Eingang in die Poesie und gaben der romantischen Dichtung ihren eigenartigen Zauber.

4. Gestaltungsart

Phantasiereichtum und Gefühlstiefe

Phantasie und Gemüt sollten die Dichtung mit Leben füllen und ihren Raum erweitern. Deshalb gab es die Vorliebe für ahnungsvolle Stimmungen, Wunder, Dämonie, Traum, Mondnacht und Märchen. Nichts wurde für klar und eindeutig ausgesprochen. Dunkle Andeutungen ließen das Geschehen ahnen. Erklärungen für die oft gänzlich phantastischen Handlungen waren ausgeschlossen. Die Nacht bildete das Gegenbild zur Aufklärung, eine Opposition zum Primat des Verstandes.

Symbolik

Die Romantiker waren der Ansicht, dass durch das Fortschreiten der Menschen zur Kultur die magischen Fäden zum All gerissen wurden. Ursprünglich hatten die Menschen eine Bildersprache, die in das Unterbewusstsein gesunken und zur Sprache des Traumes geworden ist. Diese Sprache sei ein Weg zum Höheren. Die Romantiker haben somit schon viele Aspekte der Traumsymbolik von Sigmund Freud vorweggenommen.

Die Symbolik wurde zu einem wichtigen Ausdrucksmittel der Romantik. Wenig wird verhüllt mitgeteilt. Meist bediente sich der Dichter irgendwelcher Symbole, durch die er über die Nähe und das Gegenständliche hinausgehende Gedanken Ausdruck verlieh.

Novalis begründete die Symbolik mit der Blauen Blume. Sie stammt aus dem Werk "Heinrich von Ofterdingen" und bildet die Idealform der romantischen Symbolik.

Die romantische Lyrik gab sich betont volkstümlich. Sie wurde zwar verziert durch ein enges Geflecht von Symbolen und Leitmotiven, jedoch brauchte man diese nicht zu dechiffrieren, um jene zu verstehen.

Universalpoesie

Die Vorliebe der Romantik für alles Unklare und Verschwimmende brachte es mit sich, dass die Grenzen der Poesie, der Religion und der Philosophie, wie auch die Grenzen zwischen den einzelnen Künsten wie Musik, Malerei und Dichtung und die Grenzen zwischen den einzelnen Dichtungsgattungen wie Lyrik, Epik und Drama verschwanden und alles grenzenlos ineinander überging.

Auch die Eigenart der Geschlechter sollte vermischt werden. Die Männer der Romantik waren nicht so geartet wie Helden von Schiller. Weibliches und Weibisches nahm den Männern die strahlende Männlichkeit. Von den Frauen wurde nicht nur Schönheit, Anmut und häusliches Wesen verlangt, sondern auch Geist und männliche Energie, die gleiche Bildung wie der Mann und auch die damit verbundenen Rechte und Pflichten. Man kann somit sagen, dass die Frauenemanzipation sich hier in der Vorbereitungsphase befand.

Romantische Ironie

Über allem Dingen schwebte damals die heiter spielende romantische Ironie, die Illusionen zerstören will. Die Dichter ließen den Leser spüren, dass er es mit einem Scheinwerk zu tun habe. Er trat während der Handlung auf und sprach von anderen Dingen oder kritisierte. Damit wollte er seine Überlegenheit über den behandelten Stoff zeigen.

Mit Hilfe der Ironie wurden die Grenzen zwischen Phantasie und Erfahrung, Ideal und Realität, Wirklichkeit und Unendlichkeit aufgehoben, in dem alle Zeiten, Bewusstseinsebenen und literarische Formen miteinander verschmolzen (Universalgedanke).

Humor

Neben dieser beißenden Ironie markierten sich die Werke der Romantik auch durch einen sehr gutmütigen und sonnigen Humor, welcher die Werke verklärte und eine freundliche Gemütstiefe durchscheinen ließ. Hier grenzte sich die Romantik völlig von der Klassik ab, der ein herzlicher Humor vollkommen fremd war.

5. Dichtergattung

Lyrik

Der subjektive Charakter der Zeit bedingte die Blüte der Lyrik. Zu großer Bedeutung gelangten oft kleine innige Gedichte mit einem schwärmerischen Charakter und ganz besonders die Stimmungslyrik.

Es bestand eine Vorliebe für gleichförmige Strophik. Es dominierten eindeutig volkstümliche Inhalte.

Novelle

Daneben bevorzugten die Romantiker die Novelle, also eine kurze, erzählende Form, die aus einer einzigen Stimmung heraus niedergeschrieben werden kann. Die Novellen thematisierten oft den Einbruch des Wunderbaren und Dämonischen.

Romane

Der Roman galt als einer der wichtigsten Gattungen, weil er in sich alle anderen Gattungen aufnehmen konnte. Oft blieb er allerdings Fragment, Texte aus anderen Gattungen wurden in ihm integriert, da die innere Konzentrationsfähigkeit eines Romantikers nicht ausreichte, um umfangreiche Stoffe zu bewältigen.

Drama

Das Drama, das den Bühnengesetzen entsprechen muss, um aufführbar zu sein, war nicht dem Wesen der Dichter zur Formlosigkeit kongruent. Es befand sich somit unter den bedeutenden Romantikern kein einziger Dramatist von großen Rang.

Fragment

Das Fragmentarische (Bruchstückartige) bildete ein wesentliches Charakteristikum romantischer Dichtungen. Es ist in den literarischen Gattungen im Roman eingebunden. Der gefühlsbetonte Dichter schrieb aus der augenblicklichen Stimmung heraus. War diese Stimmung verflogen, dann wandte sich der Dichter neuen Eindrücken zu, ohne die erst erfühlte in ihrer Abhandlung fertig zu stellen.

Märchen

Das Märchen bildete mit die wichtigste Gattung der Romantiker, da es keine reelle Begebenheit erzählen will, sondern frei von allem Gegenständlichem nur mit der Imagination des Lesers spielt.

6. Regellosigkeit

Meist herrschte in den Dichtungen eine große Regellosigkeit. Die Dichtergattungen wurden nicht in ihrer reinen Form gewahrt, sondern vermischten sich untereinander. Eingestreute Gedichte in Novellen und Romanen, lyrische Ergüsse in Dramen ließen die Trennungslinien zerfließen. Hier liegt ein weiterer Gegensatz zur Klassik, welche auf die Reinheit der Dichtergattungen als Naturformen der Poesie größten Wert gelegt hat.

7. Sprache

Die Sprache der Romantiker zeichnet sich durch einfache Volkstümlichkeit aus. Fremdwörter wurden vermieden. Jedoch wurden auch schon längst vergessene Ausdrücke des Mittelalters wieder in die Sprache eingeführt. Heiße Empfindung führt sich wie ein Faden durch die Werke. Der Ausdruck wird daher oft abgerissen und unklar. Die Lyrik jedoch ist volksliedhaft einfach in Strophenform mit Reimen gehalten. Auch wird manche mittelalterliche Versform, wie der Stabreim, wieder zum Leben erweckt. Des Weiteren spaltete sich die Sprache vom Inhalt eines Werkes ab.